Lange bevor HipHop zum Karneval der Ungebildeten wurde und ein Tummelplatz für Massenindividualismus mit Wortspiel Algorhythmen im Spiegel-Modus, war es ein hierarchisches Konstrukt. Nicht im Sinne einer Monarchie - Baambaata möge mir verzeihen - aber doch mit einer Art Kastensystem.
Wer neu in die Szene oder Kultur kam, war Toy. Toy als Gehilfe, Toy als Anfänger, Toy als unwürdiger Nichtskönner, Toy als nicht integriert. Später auch noch Toy als kommerziell. Der Titel Toy war quasi das erste Geschenk der älteren HipHop Generation an die neue. Und obwohl Toy sein natürlich kein Spass war und man auch nie gesagt hätte, man sei ein Toy, so lernte man doch innert kurzer Zeit, wie man damit umzugehen hatte. Toy hiess im Prinzip nichts anderes als "du gehörst (noch) nicht dazu". Wenn man also kein Interesse an der HipHop Kultur hatte, konnte es einem scheissegal sein, kaufte man sich eben Daunenjacken, flog nach NYC und baute sich so eine unkreative Nebensparte auf... Wer aber dazugehören wollte MUSSTE aktiv werden.
Die Bandbreite war gross: vom Rapper, Sprayer bis zum Konzertorganisator, Fotografen, Schriftenzeichner, Aufpasser, Label... es gab immer viel zu tun und vor allem konnte man aktiv werden, ohne dafür auf andere angewiesen zu sein oder viel zu benötigen. Wer sich also über einen Zeitraum von sagen wir einem gefühlten Jahr intensiv mit seiner Nische beschäftigte, sich austauschte, die Geschichte lernte (!), die Namen kannte und sich zumindest an die Brust heften konnte, kreativ ein Ziel zu verfolgen, merkte irgendwann selbst, dass er nicht mehr Toy war. Es war kein Titel, den man ablegen konnte, sondern einer, denn man (meist lautstark) weiterreichte. Rapper dissen plötzlich Toys, Sprayer crossen Toys, Breaker lassen Toys nicht mal an sich ran und DJ's wurden Radiomoderatoren. Scherz. Auf jeden Fall wurde der Begriff lange Zeit weitergereicht.
Im Limbus zwischen Toy sein und King sein war man aber immer etwas unsicher. Denn - wie gesagt - es gab auch Kings. Das waren die Oldschool Legenden oder Rohdiamanten, die plötzlich in irgend einem Bereich entweder breitflächig oder explosionsinnovativ auftauchten. Und für einen King waren alle ausser anderen Kings schlichtweg auch Toys. Also wollte man den Königen gefallen und gab sich Mühe. Entweder im Schatten eines übergeordneten Akteurs oder auf eigene Faust mit genug Ellenbogen-Power. Bis entweder die Zeit einen unangreifbar machte (wer ewig dabei war, ist irgendwann einfach un-toy-bar, quasi) oder man aufhörte in diesem Raster zu denken und sich verabschiedete aus dem Kern der Sache.
Das tolle an diesem leider viel zu früh von uns gegangenen Qualitätsgradmesser war, dass man sich nicht auf Talent berufen konnte. Der einzige Weg zum Bestand führte über Arbeit. Es nützte schlichtweg einen Scheiss, wenn man einen Contest gewonnen hatte oder ein schönes Bild malen konnte. Man musste es immer wieder tun, sich entwickeln und da alle so funktionierten entstanden zeitweise regelrechte Kreativitäts-Tsunamis. Gerne auch Mal internationler Natur. 3D Schriften, Doppelreime, Akrobatik, Feinmechanische getunte Turntables... wer da mitreden wollte, musste sich entwickeln. Wer es in mehreren Sparten konnte, war ein King. Und das lag NIE an der Kleidung lol ;)
Wenn wir Heute, im Social Media Hype und der Homerecording Phase angekommen, jeder sein eigener Filmemacher, permanent exponiert, Kopie einer Momentaufnahme, die Kids betrachten, wird mir einiges bewusst. Die schiere Gewalt der Kommunikation hat uns an den Punkt gebracht, wo jeder Toy ist, der sich über diese Wege definiert. Denn das eine kleine Quantum Erkenntnis bleibt: die Arbeit passiert ausserhalb der digitalen Welt und wer nicht versteht, warum sie dort ruhig entwickelt werden soll, ist Toy. Wer sich über Clicks definiert ist Toy. Wer sich hinstellt im Netz unter einem Pseudonym nach dem keiner fragt ist Toy. Wer nur bis in diese Medien kommt und nicht darüber hinaus (mit Auftritten oder Veröffentlichungen) ist Toy, wer sich in dieser Blase definiert ist Toy, wer diese Logik nicht versteht ist Toy und wer glaubt diesen Ansatz hinterfragen zu müssen ist vermutlich auch Toy. Und wer sich fragt, was Toy überhaupt ist, ist ein Opfer.
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sei gescheid...
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