Donnerstag, 15. Dezember 2011

Lieber Ernst Merz, SVP Zug

Lieber Ernst Merz

Mit grossem Interesse habe ich die diesjährigen Bundesratswahlen verfolgt. Nicht zuletzt, weil die mir sehr sympathische Evelyn Widmer-Schlumpf bestätigt werden musste. Auch weil zum ersten Mal, seit ich mich politisch interessiere, die Politikrampensau SVP zu scheitern droht mit ihrer Art des Krieges. Das Resultat des Anlasses dürfte ihnen bekannt sein und ist nur periphär im Interessensdunst dieses Briefes.
In der Berichterstattung fiel mir ein Mann mittleren Alters auf, der vor laufenden Kameras des staatlichen Fernsehens mit einem Schweizer Pass in der Hand "Judas" schrie und damit wohl besagte Bundesrätin schimpfte. Vermutlich fühlen sie sich durch sie verraten, denn der Mann auf dem Schirm waren offenbar sie, wie man bald erfuhr.
Nun, seien wir ehrlich, einen Verrat darf man hier durchaus sehen, der Situation wegen. Aber wenn sie, lieber Herr, Judas schreien, haben sie dessen Rolle wohl etwas falsch interpretiert nach meinem biblischen Wissen.
Mag Judas, dem verziehen wurde von Jesus, sehr wohl sich und seine Sache verkauft haben. Nur die gespielte Rolle in der Geschichte unseres Glaubens ist nicht der Verräter, sondern auch der Erschaffer des Neuen. Mit Judas' Selbstopfer gibt er der Gesellschaft das Nemesis, die Hassfigur. Und mit der Gewissheit der Menschen, dass keiner so ist wie sie selbst sind, erkennen sie das Böse darin, obschon es auch sie zu seinen Magneten zieht. Judas tut etwas für Geld, um sich und seine zu schützen, setzt sich über die anderen und erklärt einfachsten Darwinismus. Derwelcher, in der heutigen wie damaligen Zeit ein Konsens war für viele. Dumm nur, war Judas der erste Wackelkandidat im Kampf um "Jesus sucht den Superapostel". Take the Money and run. Bezahlt hat er ja mysteriöserweise umgehend dafür. Gott straft sofort, quasi.
Und hätte dieser getrieben Judas nicht unseren Herrn verraten, irgendwer hätte es später. Nie wäre ein Kreuz für ihn aufgezogen worden und keine Beichte je an einen seiner komischen Vertreter geleistet worden. Judas wäre in der heutigen Zeit ein wagemutiger Angestellter, der im richtigen Moment die Impulse setzt, nach seiner Beförderung jedoch nicht mehr strebt oder visionär agiert sondern sich zufrieden wird und predigt, seine kleine Lehre. Ein Mittelständer. Sie wissen worauf ich hinauswill?
Lieber Herr Merz, ich schätze die Niederlage schmerzt und dass sie die zweite Wange hinhalten, wird höchstens passieren, wenn sie tatsächlich so gläubig sind wie sie dem gesamten TV Volk suggeriert haben, indem sie eine wagemutige Frau - vor allen - mit biblischem Fluch belegt haben, den sie selbst nicht zu verstehen scheinen.

Gimma

Dienstag, 6. Dezember 2011

Zeit

Bin an einem Buch von Haruki Murakami dran und da hats so einen Gedanken zum Thema Zeit der mich nicht mehr loslässt...

Du saisch das Leba fangt ah mir Geburt
was wenn du falsch liggsch
dini linear Vernunft nüt als a Trug-
schluss, nid dr Tod isch do z Endi,
oder as Loop,  du erinnerisch di zrugg
und schu do stellt sich d Frog wia das goht
an Blick in d Zuakunft

wer sait dass dis Leba nid nur an Erinnerig isch
wo du nocham Tod reflektiarsch
a verbesserig suachsch, dini Lascht
usanand nimmsch und nomol versuachsch
und a Geburt setzt di nomol uf Null
in dim Kind, sind alli dini Schulda schu Soll
dini DNA flexibel imana Ziitraster
du bewegisch di nid, nur noch inna und vorn

dia 5. himmelsrichtig isch dr himmel, selber
oder d Höll als as Sinnbild, nid fürs verderba
sondern für scheitra

Freitag, 2. Dezember 2011

Lasst uns gratis arbeiten!

Wir sind Kinder des Computer. Die Fieberglasleitungen unter unserm Arsch sind ein Venennetzwerk das nebst unserer Arbeit auch unsere sozialen Aktivitäten näher zusammengerückt hat. Wobei, was heisst hier "unsere" Arbeit? Meine Arbeit wäre vor 30 Jahren ein Reichtum fördernder Magnet gewesen ;) In den 80ern war die Musikindustrie der King of Cool, auch in der Schweiz. Das Geld wurde aus dem Fenster geschmissen mit einem Selbstverstand, der auch die vielen komischen Frisuren erklärt, irgendwie. Für mich war dieser Eindruck prägend. In den 90ern und eben mit den Computern, hat sich nicht nur der Klang der Musik geändert, auch ihre Möglichkeit und die Art ihrer Verbreitung. Dank Computer konnte (fast) jeder elektronische Musik machen. Und zum Schluss sind wir nun am Punkt angelangt, an dem jeder umsonst Musik machen kann und jede Art von Musik auch jederzeit umsonst beziehen, sharen, uploaden, teilen, veröffentlichen kann, sofern er digital lebt. Das hat die Welt schneller gemacht und sie zusammengerückt.
Der Beruf Musiker ist allerdings ein 80er geblieben. Ich erinnere mich noch zugerne an die Zitate von wegen "ich lade nur Sachen von 50 runter, der hat sowieso genug Kohle". Stimmt auch. Dank Vitamin Wasser. Aber das war vor einigen Jahren und betraf meine Generation. Die Kids Heute sind wie gesagt mit einem Null Aufwand in der Lage Musik zu machen, was ich grandios finde. Und sie downloaden was die Leitung hergibt. 99 % davon wird ohnehin gleich wieder vergessen und gelöscht oder im Folder verstauben. Aber das letzte 1 % nicht. In diesem letzten 1 % muss auch ich mich oft befunden haben, denn ein Experte hat mir einst vorgerechnet, dass ich noch vor 20 Jahren pro Album in etwa 10 Mal mehr verkauft hätte. Das wären in meinem Fall ganz grob gerechnet mehr als ein Million Tonträger. Eine Million. Ich wäre Millionär. Und nicht nur ich. Adi Stern, Bligg, Marc Sway, Baschi, Stress, wir alle hätten Millionen verkauft. Haben wir aber nicht.
Keiner von uns sitzt zu Hause und weint deswegen, wir spielen das Spiel so gut es geht mit, und wenn wir uns einmal im Jahr sehen, trinken wir hald Bier statt Schampus, gehen zum New Point und lachen darüber. Alles ganz normal. Wir werden ja zum Teil auch andersweitig unterstützt, von Sponsoren, Aufträgen, dem Staat... dem Staat?
Ja, da bin ich mir eben auch nicht mehr so sicher haha :) Vor weniger als 2 Tagen wurde Dank Bundesratsentscheid das Urheberrecht der Schweiz nicht angepasst... ich habe semi-gespannt drauf gewartet, denn es hätte Downloads verboten. Das hätte einen Aufschrei gegeben seitens der Konsumenten! Huiuiui und das nach 20 Jahren Internet!!! Aber - und das kam dann doch etwas überraschend und dann auch wieder doch nicht - der Bundesrat hat eben doch nichts geändert. Der Konsument gebe sein Geld trotzdem aus für Unterhaltungselektronik, Konzerte etc... äh? Was?! Und das haben die ausgerechnet? Stimmt nämlich nicht. Eintrittspreise steigen, Gagen bleiben gleich, Hallen werden grösser, Hallen werden kleiner, man verkauft auch nicht immer gleich viel weniger (diesen Satz bitte nochmal lesen und verstehen)... das ist keine Lineare Statistik meine Freunde im Rat! Diese Industrie ist von sovielen unberechenbaren Faktoren abhängig, dass trotz einer neuen Qualitätsfreude nach wie vor stetig weniger für den Schweizer Musiker bleibt. Fakt. Ich glaube zwar, dass dieses nicht erlassene Gesetz grundsätzlich gut für die Industrie ist. Aber wir reden von einer INDUSTRIE und in dieser ist der einzelne einheimische Musiker nicht von Bedeutung, wie man uns zeigt.
Jungs, wenn wir uns nächstes Mal treffen, bringe ich Bier mit, und Salzstängeli. Und eine Wärmedecke mit einem lässigen Schweizerkreuz drauf.

PS: Meine Fans sind trotzdem die geilsten.